Chamonix Eisklettern – Mt. Dolent

Das bekannteste Hochtal für alpine Mixedkletterer

Das Argentiere Becken ist zweifelsfrei das bekannteste Hochtal für alpine Mixedkletterer in den Alpen. Die Aig. du Verte, die Droites, die Les Courtes und die Triolet sind allesamt großartige Berge, wie es sie sonst in einer solch gleichmäßigen Aneinanderreihung nicht wieder gibt. Gerade deshalb trifft sich hier Jahr ein Jahr aus die internationale Alpin- Mixedkletterszene.

Mt. Dolent – der vergessene Gipfel im Argentiere Becken

Der Mt. Dolont (3828m) schließt im hintersten Teil des Argentiere Beckens die Reihe der eingangs erwähnten Berge mit seinem pyramidenförmigen Gipfelaufbau ab. Nur die wenigsten Kletterer wissen, dass der von Norden sehr selten bestiegene Gipfel auf seinem höchsten Punkt drei Länder verbindet. Die Landesgrenzen von Frankreich, Schweiz und Italien treffen dort zu einem Kulminationspunkt zusammen.

Ein Berg mit großer Anziehungskraft

Bereits um 1850 zog der von Schweizer Seite sehr spektakulär wirkende Dreiländergipfel die damals besten Bergsteiger der Alpen an. Auch hier entbrannte der Wettlauf um die Erstbesteigung von herausragenden Alpengipfeln.

Doch noch einige Jahre sollte es dauern bis ein geeigneter „Normalweg“ gefunden war. 1864 gelang es dann endlich dem berühmten Eduard Whymper (Erstbesteiger des Matterhorns), mit seinen nicht weniger bekannten Führern Croz, Chalet, Reilly und Payot den höchsten Punkt über die Schweizer Seite zu erreichen.

Spektakuläre Aktion

Fast 130 Jahre später kam der Mt. Dolent erneut in die Schlagzeilen. Am 1. August 1993 stiegen insgesamt 60 Bergsteiger von „Mountain Wilderness“ über alle vier Wände und Grate gleichzeitig auf den höchsten Punkt. Damit sollte das Projekt eines internationalen Naturparks am Mt. Blanc unterstützt und zugleich ein Zeichen für den Frieden zwischen den Nationen gesetzt werden.

Mt. Dolent Nordostwand

Schon oft blickte ich von div. Standplätzen aus berühmten Eisrouten des Argentiere Kessels hinüber zu den steilen Gullys des Dolent und folgte in meiner Fantasie der logischen Aneinanderreihung von Rinnensystemen hinauf bis zum Gipfelgrat. Doch meistens gab es spektakulärere Ziele mit einer für mich höheren Wertigkeit, um dieses schöne Projekt wirklich angehen zu wollen. Vergessen habe ich es jedoch nie…

Ein herrlicher März Tag im Winter 2012

Diesen Winter sollte es dann endlich so weit sein. Mit Jürgen Oblinger fuhr ich an einem herrlichen Märztag spät nachmittags hinauf zur Grandes Montets, um danach schwer bepackt mit Skiern die Argentiere Hütte anzusteuern.

Nach einer relativ unspektakulären Skiabfahrt in den Argentiere Kessel zogen wir mit aufgeschnallten Fellen die letzten Meter hinauf zur Hütte. Ein reges Treiben auf der Terrasse stimmte uns zuversichtlich, dass die Hütte bewirtschaftet ist. Doch dem war weit gefehlt.

Insgesamt 15 Kletterer drängten sich in den kleinen Winterraum und versteckten vorsichtshalber die nur spärlich vorhandenen Decken in ihren Rucksäcken.

Nach ein paar kurzen aber bestimmenden Wortwechseln konnten wir die Unfairness auflösen und verteilten die Plätze so, dass niemand frierend auf dem Boden liegen musste.

Schnarchkonzert

Auf Grund eines unvorstellbar lauten Schnarchkonzerts nahm ich dann endlich um 3 Uhr nachts erleichtert den lange ersehnten Weckruf des Handys war. Sofort schlichen wir hinaus in die Stille des weiten Gletschers und fühlten uns merkbar wohler.

Das Abenteuer konnte beginnen…

Völlig allein im hintersten Argentiere Becken

Während in den letzten Jahren die Nordwand Begehungen der Les Courtes und der Droites wieder hoch im Kurs gestiegen sind, waren wir wie vermutet völlig allein auf dem Weg zum Mt. Dolent, was uns aber eher Freude als Unwohlsein bescherte. Denn die Ruhe und Weite des Gletscherbeckens wirkte besänftigend und entspannend auf das was uns der Tag bringen sollte.

Delikate Stellen mit wenig Eis

Bereits im ersten Tageslicht wurde die Routenlinie schnell erkennbar. Ein steiles und logisches Rinnensystem zieht mit wenigen Unterbrechungen geradlinig von der Randluft bis zum Gipfelgrat hinauf. Leider fehlte bei genauerem Hinsehen in einigen Abschnitten die erwünschte Eisauflage, so dass wir uns auf Mixedklettern einstellen mussten.

Schwierige Randkluft

Nach der 85° steilen Randkluft folgten wir unserer geplanten Linie mit kurzen Eisaufschwüngen, unterbrochen von ein paar delikaten Kletterstellen, welche nicht immer gut abzusichern waren. Dennoch kamen wir recht schnell voran und erfreuten uns bereits gegen Mittag an den wärmenden Sonnenstrahlen des leuchtenden Grates mit einem grandiosen Panorama. Ein herrlicher Platz zum Verweilen. Doch die Zeit drängte, da der höchste Punkt erst viel weiter oben auszumachen war. Über verscheite Felsstufen in teils brüchigem Gelände stiegen wir weiter, bis sich endlich der Gipfelgrat in die Horizontale legte und die legendäre Madonnenstatue am Scheitelpunkt des Berges sichtbar wurde.

Grandiose Aussicht

Die Aussicht ist wie auf fast allen hohen Gipfeln des Montblanc Massivs grandios und krönt einen ausgefüllten Klettertag. Hier erblickt man die schönsten und steilsten Viertausender, sowie den „König der Alpen“ in einem strahlend weißen Winterkleid, wie man es sich nur wünschen kann. Ein Moment des Gipfelglücks, für den es sich auf jeden Fall lohnt, hier herauf zu steigen.

Abstieg

Auf Grund unseres Skidepots am Einstieg war der Rückweg auf die Nordseite obligatorisch. So wählten wir die Aufstiegsroute mit Zuhilfenahme von div. Abseilstellen und hofften, alles würde flott vor sich gehen. Doch das täuschte…

Der Rückweg über den brüchigen Gipfelgrat war ein „Tanz auf Eiern“, solange bis wir endlich die erste Abseilschlinge am oberen Rande des Nordcouloirs erreichten. Aber auch hier mussten wir feststellen, dass die Qualität der Standplätze extrem variierte, so dass wertvolle Zeit mit dem nachträglichen fest schlagen von losen Haken und Verbessern von Schlingenmaterial verloren ging. Doch das war es uns auf jeden Fall wert. Denn alles andere wäre einem „Harakiri-Stil“ gleichzusetzen gewesen.

Lockere Schwünge

Letztendlich erreichten wir dennoch vor Einbruch der Dunkelheit unser Skidepot unterhalb der Randkluft und hatten uns schnell umgezogen. Mit ein paar schönen Schwüngen in den unverspurten Hängen des hinteren Argentiere Beckens beendeten wir einen interessanten Bergtag, der noch heute mit vielen positiven Eindrücken nachwirkt.

Fazit:

Der Mt. Dolent vom Argentiere Becken über die Nordseite bestiegen ist ein absoluter Geheimtipp mit einem krönenden Gipfel.

Im Anforderungsprofil kann man das Unternehmen sicherlich mit einer Courtes Nordwand (Swiss Route) vergleichen. Wer bereits am Grat, lange vor dem Gipfel, wieder abseilt, hat auch nur einen Teil der Route hinter sich gebracht. Denn wirklich oben bist du erst, wenn es auf allen Seiten wieder hinunter geht…

Prädikat:                                                                                                                                                                   Sehr empfehlenswert!