Allgäuer Alpen – Kleiner Wilder “Wildendach”

Das schwierigste Felskletterprojekt am kleinen Wilden

Die „Große Südwestverschneidung“ am kleinen Wilden war Anfang der 1950er Jahre das begehrteste und schwierigste Felskletterprojekt der Allgäuer Alpen. Der gelbe und meist überhängende Fels erweckt ein beeindruckendes Dolomitenambiente, von dem wir Allgäuer eigentlich nur träumen können.

Erst nach vielen gescheiterten Versuchen, über mehrere Jahre verteilt, schafften die mutigen und damals regional bekannten Kletterer Albert Kleemaier und Max Nieberle am 4. September 1955 die Erstbegehung. Danach zählte die 200 Meter hohe Verschneidung lange Zeit zu den herausfordernsten Kletterrouten der Allgäuer Berge und wurde nicht umsonst mit anspruchsvollen Touren in den Dolomiten verglichen.

Herausforderung an brüchigen Überhängen

Nach dem Beginn des “Sportkletter-Zeitalters” wurde es ruhig um diese Wand. Nur noch wenige, meist einheimische Kletterer suchten die Herausforderung an den brüchigen Überhängen mit uralten Rosthaken. War es doch viel bequemer und sicherer in talnahen Klettergebieten das Leistungsniveau auszuloten, anstatt dort oben Mut zu beweisen. Erst nach der Sanierung mit Bohrhaken zählt die „Wildenverschneidung“ 8 nun wieder zu den  begehrten Kletterrouten in den Oberstdorfer Bergen. Wenn auch ein gewisser Abenteuerfaktor geblieben ist.

“Wildenschreck”

Mitte der 1990 Jahre nützten die Allgäuer Alpinkletterer Matthias Robl und Egbert Lehner den Einstieg der „Wildenverschneidung“, um nach einer Seillänge in einem gewagten Rechtsquergang zur Kante eines gewaltigen Felsdaches zu gelangen. Ab hier kletterten sie in mehreren Schleifen durch die anspruchsvolle Steilwand Richtung Gipfel. Die dadurch entstandene Route „Wildenschreck“ 8 machte ihrem Namen alle Ehre. Denn der Rechtsquergang zur Dachkante war nur mit einem „windigen“ Normalhaken abgesichert. Wäre man hier gestürzt, kann man davon ausgehen, dass der Schlaghaken ausbricht. Lebensgefährliche Verletzungen sind somit nicht auszuschließen. Die unhomogene Absicherung mit Normalhaken, Stichtbohrhaken und Schwerlastanker warf immer wieder Fragen der Sinnhaftigkeit auf. Warum der Wechsel zwischen guter und gefährlicher Absicherung? Wollten die Erstbegeher den Nimbus dieser alpinen Route erhöhen oder Geld für hochwertige Bohrhaken sparen? Ich weiß es nicht… Leider sind beide Extremkletterer mit jungen Jahren zu unterschiedlichen Zeiten beim Bergsteigen verunglückt.

Schwindel erregende Felsdächer

Auf der Suche nach schönen und anspruchsvollen Kletterwegen in den zentralen Allgäuer Alpen, entdeckte ich eine gewagte Durchstiegsmöglichkeit zwischen den schwindelerregenden Felsdächern rechts der Wildenverschneidung. Somit war ein Direkteinstieg des „Wildenschrecks“ vorstellbar. Einige Jahre vergingen, bis ich das Projekt in die Tat umsetzen konnte. An Hand von  Rissverschneidungen war es möglich in geschickten Linienführung einen Kletterweg durch die weit ausladenden Felsdächer zu kreieren. Am Ende der Überhangzone wählte ich den Ausstieg über die “Wildenschreck-Route”. Dabei begradigte ich die früher genutzte Kletterlinie und setzte zur Absicherung M 10 mm Schwerlastanker aus Edelstahl ein.  Im letzten Schritt der Erstbegehung musste ich mit Freunden mehrfach in die Tour einsteigen, um den teilweise brüchigen Fels zu putzen und somit gefährliche Felsblöcke aus der Route zu schaffen. Eine riesen Arbeit, die mir wichtig ist. Denn jeder Wiederholer/in sollte merken, dass man sich in anspruchsvollem Gelände bewegt, ohne extreme Gefahren in Kauf nehmen zu müssen.

“Wildendach”

Die mehrere Tage dauernden Arbeiten im letzten Jahr fanden nun mit der freien Begehung den krönenden Abschluss. Mit dem “Wildendach” 8 entstand eine spektakuläre Freikletterroute die sich zum modernen „Alpinklassiker“ im Allgäu entwickeln könnte.

 

Viel Spaß in den Überhängen des Kleinen Wilden wünscht Euch

Walter