Drusenfluh Südwand – Route “Konflikt”

Konflikt in der Drusenfluh Südwand

Stilform des Kletterns

1992 las ich in der Alpinzeitschrift „Der Bergsteiger“ einen Bericht über eine neue Route an der Drusenfluh Südwand. Der Name „Konflikt“ entstand während der Erstbegehung als sich die Kletterer Gedanken über die Stilformen des Alpinen Kletterns machten. Soll die Route mit oder ohne Bohrhaken abgesichert werden? Darf ein vorheriges Erkunden aus anderen Routen stattfinden? Darf die Route A0, A1, a.f., Rotkreis oder Rotpunkt geklettert werden?

Kein zu hohes Risiko in den Bergen

Wie sieht es heute, also 13 Jahre nach der Erstbegehung aus? Wer fragt noch nach dem Stil der Erstbegehung, oder wen interessiert schon wirklich der Name der damaligen Kletterer? Ich denke, den Meisten ist dies egal. Vielmehr geht es darum, dass die Route in schönem Fels verläuft, anspruchsvolle Stellen bietet und diese mit zuverlässigem Material (d. h. mit Bohrhaken) ausgerüstet wurden. Die Wenigsten Sportkletterer möchten ein zu hohes Risiko in den Bergen eingehen und sich zu Hause rühmen eine „Horrorroute“ geklettert zu haben. Und wenn es doch so sein sollte, dann gibt es auch hier immer noch genügend Spielfeld in den Alpen um sich bestätigen zu können. Die Zeit ist auch in den Bergen nicht stehen geblieben. Werte und Ziele die gestern noch groß geschrieben wurden, rücken heute aus dem Focus der Allgemeinheit. An dieser Stelle stehen nun andere Denkweisen die mehr mit sportlicher Leistung, Genuss und Freude zu beschreiben sind.

Spektakuläre Alleingänge

Auch ich wollte mich in jungen Jahren mit spektakulären Alleingängen oder Wiederholungen von schlecht abgsicherten Routen in einer gewissen Weise selbst bestätigen, um in der elitären Alpinisten Szene mitreden zu können. Das Risiko war hoch. Denn ohne einen Schutzengel hätte die ein oder andere waghalsige Aktion sicherlich nicht so gut überstanden.

Moderne alpine Sportkletterrouten

Die Zeiten ändern sich. Heutzutage freue ich mich auf moderne alpine Sportkletterrouten, die mein Niveau physisch sowie psychisch gerne fordern dürfen. Berüchtigte „Expo-Routen“ mit einem hohen Verletzungspotential oder sogar Todesrisiko meide ich aber so gut es geht. Dennoch gibt es immer wieder Situationen in den Bergen, die man so nicht vorhersehen kann. Dieses Restrisiko gehört zum Abenteuer das man eingeht, wenn man sich vom reinen Sportkletterer unterscheiden möchte.

Zurück zum Ausgangspunkt:

Im Sommer 2006 wollte ich mir mit meiner Frau Lena endlich mal selbst ein Bild von der Route „Konflikt“ machen, um herauszufinden ob es sich wegen diesem Weg wirklich gelohnt hat so viele Gedanken zu machen.

Endlose Bergfahrt

Nach der schier endlosen Bergfahrt über „Stock und Stein“ zum Schweizer Kletterhüttli am Fuße der Kirchlispitzen Südwand, stieg ich mit Lena die steilen Grashänge direkt unter der Drusenfluh Südwand hoch. Der Weg war mir nicht neu, denn es gibt in diesem Gebiet nur wenige moderne Routen vom 6. bis unteren 9. Schwierigkeitsgrad die ich noch nicht geklettert bin. Und fast nie wurde ich enttäuscht.

Herrlich von Wasser zerfressenem Fels

Nach gut einer Stunde erreichten wir über Geröll den Wandfuß. Die erste Seillänge kann seilfrei von unten (II) oder von rechts querend zu Bohrhaken mit Schlinge erreicht werden. Danach geht es in fast direkter Linie 10 Seillängen durch die grauen Platten der Drusenfluh Südwand. Im unteren Teil überwiegt Reibungskletterei an herrlich von Wasser zerfressenem Fels. Die Absicherung ist gut, aber nicht plaisier. Ab dem großen Band in Wandmitte steilt sich die Wand erheblich auf wird von einer mächtigen Dachreihe abgeschlossen. In geschickter Linie führt die Route durch eine Schwachstelle. Doch diese Schwachstelle bezieht sich nicht auf die Muskulatur des Kletterers, sondern nur auf den kletterbaren Fels zwischen den großen Überhängen. In einem halbmondförmigen Bogen kann man 13 Bohrhaken bis zum nächsten Stand erkennen. Also, wer nicht frei klettern möchte, bzw. wem die nötige Power für eine athletische 7a+ im Oberarm fehlt, kommt auch mit Hakenhilfe zum Standplatz. Für die danach folgende Seillänge wird der Grad 6b+ im Topo ausgegeben, was vielleicht etwas untertrieben ist. Ich fand die Passsage jedenfalls technisch fordernd. Nachdem ich die 7a+ „on sight“ klettern konnte, brauchte ich in dieser Seillänge längere Überlegungszeit, um endlich die Griffe die in die „falsche Richtung“ zeigen, richtig nützen zu können. Doch auch diese Stelle wäre mit Hakenhilfe zu entschärfen. Die letzte Seillänge bietet nochmals Genuss für die vom scharfen Fels angegriffenen Finger und leitet zu den Ausstiegsschrofen, wenige Meter unterhalb des Gipfels. Ab hier ist es möglich abseilend zurück zum Einstieg zu gelangen. Die eingerichtete Abseilpiste ist anspruchsvoll und oben mehrfach überhängend.

In freier Fahrt

Mit einem 60 Meter Doppelseil sind wir vom letzten Stand der Route bis zum oberen Stand der 7a+ Seillänge abgeseilt. Vergessen sollte man dabei nicht, wegen der Überhänge ein paar Express Schlingen einzuhängen. Danach geht es wieder in freier Fahrt bis auf einen Pfeilerkopf. Nun folgt man der Kletterroute in etwas flacherem Gelände bis zum Wandfuß hinab.

Fazit:

Die Route „Konflikt“ ist meiner Meinung nach einer der Schönsten im zentralen Wandsektor der Drusenfluh und absolut empfehlenswert. Wer den Schwierigkeitsgrad 6b im alpinen Gelände gut und sicher klettert, wird viel Freude haben und nur ein paarmal an den wirklich schweren Passagen die Haken zur Hilfe nehmen. Die 7a+ Seillänge ist im „on sight“ eine tolle und lösbare Herausforderung für Kletterer mit einer guten Ausdauer. Der anschließende Quergang nach rechts bietet nochmals eine nicht einfach zu entschlüsselnde, technische Passage die im Panico-Führer mit 6b+ meiner Meinung nach etwas unterbewertet wurde.

Update 2015:

  • „Konflikt“ ist immer noch eine der eher selten gekletterten Routen an der Drusenfluh Südwand, obwohl sie meiner Meinung wirklich lohnend ist.
  • Die Bewertung im Panico Führer fällt in ein paar Seillängen eher hart aus und könnte hie und da einen viertel Grad höher eingestuft werden.
  • Im beigefügten Topo von mir, sind die Schwierigkeitsangaben deshalb etwas humaner ausgefallen.
  • Die 7a+ Seillänge ist hervorragend gesichert, die Bewertung passt.
  • Die danach folgende 6b+ Seillänge ist nicht einfach zu lesen und dürfte eher mit 6c+ eingestuft werden. Im Vergleich dazu ist die Schlüsselseillänge von Galadriel (6c+) an den 5. Kirchlispitze auf keinen Fall schwieriger.
  • Während einer winterlichen Begehung im Jahr 2014 wurden von mir die Stände verbessert und alte Schlingen ausgewechselt. Ein schlecht zu klippender Haken in der vorletzten Seillänge wurde umgebohrt und besser platziert. In der ersten Abseillänge von oben wurden in der Verschneidung zwei Haken gebohrt, die man bei Abseilen einhängen kann. Somit wird die Abseilfahrt erleichtert.
  • Aus diesem Grund darf man sich in der vorletzten Seillänge nicht verleiten lassen gerade hoch zu klettern. Wie im Topo beschrieben, geht es nach wenigen Metern rechts um die Ecke.