Juni 2014

Chaos und Schneesturm – dennoch Gipfelerfolg

Hallo liebe Freunde und interessierte der Shivling Expedition,
wir sind wieder gesund in Delhi angekommen!

Ein Meter Schnee im Basislager
Leider hatten wir viel Pech mit dem Wetter und mussten einen mehrere Tage anhaltenden Schneesturm im Basislager durchstehen. Ein Zelt von Heiner Heim (Schweiz) ist dabei zusammen gebrochen. Diese Schneemassen hatten wir nicht erwartet. Schließlich ist Frühjahr im Himalaja und eigentlich Bergsteigerzeit…

Wintereinbruch im Mai
Der Begleitoffizier aus Indien erklärte uns, dass es so etwas im Mai in dieser Region noch nie gab und eigentlich unvorstellbar ist. Welch ein Pech!
Auf Grund der Situation kein Sat-Telefon nutzen zu dürfen, rannten wir gegen “Windmühlen” an. Wir wussten nichts von der weiteren Wetterlage und tappten im Dunklen.

Große Lawinenabgänge
Täglich gingen große Lawinen ab, so dass Rainer und ich in der Nordwand unser Projekt einer Erstbegehung aufgeben mussten. Es war ganz einfach zu gefährlich mehrere Tage in dieser riesigen Wand zu klettern..
Alle weiteren Versuche an anderen Routen scheiterten ebenfalls am schlechten Wetter und an zu viel Schnee.

Spanische Spitzenkletterer räumen ihr Basecamp
Die spanischen Spitzenkletterer (Pou-Brueder) verließen schon nach wenigen Tagen Anfang Mai das gegenüber liegende Basislager “Nandavan” und erreichten nicht einmal den Wandfuß am Bhagirathi III (Projekt: Freie Begehung des Katalanenpfeilers). Unseres Wissens warteten sie einen Monat in Indien, um es jetzt noch einmal im Juni zu versuchen. Na ja, die können sich so etwas leisten, da sie von “North Face” und “Red Bull” gesponsert werden. Mal sehen, ob heuer der Monsun später kommt, denn nur dann haben sie eine reelle Chance…

Letzte Idee
Meine letzte Idee von mehreren erfolglosen war, bei starkem Schneefall zum Fuß des Westgrates zu steigen und dort auf ein Schönwetterfester zu warten. Bereits 1998 beging ich vermutlich eine neue, schnelle aber auch objektiv sehr gefährliche Route hinauf zum Gipfel. Auf dieser Variante die ich noch ungefähr im Kopf hatte, erhoffte ich mir ohne weitere Erkundung eine letzte Chance den höchsten Punkt des Shivling in einem Tag erreichen zu können.

In stockdunkler Nacht unter den Serc-Abbruch
Da Rainer noch nicht bereit war mit mir in der verschneiten Nacht aufzusteigen, ging Nils Delenk (Heeresbergführer) mit mir.
Nach einem kalten Biwak spurten wir in stockdunkler Nacht durch eine steile Schnee- und Eisflanke direkt unter den 100 Meter hohen Serac-Abbruch, der die Schlüsselstelle und die größte Gefahr darstellt. Hier fanden wir einen Durchgang zur Gipfelwand, welche sich danach anschließt.

Sonniger Gipfel
Am 28.05.14 um 12.00 Uhr erreichten wir nach harter Arbeit den sonnigen Gipfel und genossen die herrliche Aussicht.

Wahrscheinlich bin ich der erste internationale Bergsteiger, der zweimal (1998 und 2014) auf dem schwierigen, gefährlichen aber auch sehr heiligen Gipfel stand und es dabei nun auch belässt.

Leistungsgenze

Beim Abstieg war Nils vom zweitägigen Spuren und einer geeigneten Route suchen so erschöpft, dass ich ihn am Seil ablassen musste. Er war kurz vor einem Kreislaufzusammenbruch und an seiner Leistungsgrenze angelangt…

Schönwetterfenster hält noch zwei Tage an
Auf Grund des sich noch haltenden Schönwetterfensters nutzten die anderen drei (Rainer, Henning und Heiner) die Chance und folgten in der darauf folgenden Nacht unserer Zickzack “Wühlspur” zum Gipfel. Sie erreichten am 29.05.14 alle den höchsten Punkt bei noch schönem Wetter und freuten sich dementsprechend.

Gipfelraterate 100 %

Alle fünf Teilnehmer der Expedition standen während eines dreitägigen Schönwetterfensters auf dem heiligen Shivling Gipfel (6548m), der auch “Matterhorn des Himalaja” genannt wird.

Erstbegehungsversuch abgebrochen
Eigentlich wollten Rainer Treppte und ich eine Erstbegehung in der unvorstellbar steilen und über 1500 Meter hohen Nordostwand realisieren, doch daran war auf Grund der Verhältnisse im Traum nicht zu denken. Die Gefahr aus diesem Unterfangen nicht mehr heil heraus zu kommen, war offensichtlich. So sind wir dennoch zufrieden mit einem “blauen Auge” (Gipfelerfolg) davon gekommen zu sein.

Wissenswert

In dieser Region gibt es keinen direkten Kontakt zur Außenwelt. Kein Sat-Telefon, kein Radiowetterbericht, kein Funkkontakt und keine organisierte Hubschrauber Rettungsmöglichkeit innerhalb von 5 Tagen.

Das ist auch der Grund weshalb sich hier so gut wie keine Expeditionsgrupen mehr aufhalten. Expeditionsbergsteigen wie vor 30 Jahren. Großes Abenteuer – großes Risiko

Heimkehr

Wir kehren am kommenden Samstag erfolgreich und gesund nach Deutschland zurück und freuen uns auf einen schönen Klettersommer.

Nachtrag
Auf Grund der sich auch im Himalaja stetig ändernden Wetterverhältnisse und den gefährlichen Eisschlagbedingungen gab es in den letzten Jahren nur noch eine erfolgreiche Gipfel Besteigung im Vormonsun 2012 durch eine russische Expedition von Spitzenbergsteigern.
So haben wir unsere kleine Chance genutzt und gezeigt, dass wir Deutschen/Schweizer auch nicht gleich wegen einem Schneesturm die Zelte zusammenpacken und wieder nach Hause fahren…

Ausführlicher Expeditionsbericht mit vielen Infos 
In den kommenden Wochen werde ich hier ausführlich von unseren Erlebnissen berichten.
Ein interessanter Film, den ich auf Vorträgen präsentiere, ist geplant.

Viele Grüsse aus Delhi in Indien sendet euch Walter