Toskana Klettern

Toskana Klettern – Gebiet Garfagnana 

Familien Kletterurlaub während Ferienzeiten

Wenn man als Sportkletterfamilie auf die Ferienzeiten angewiesen ist, wird es schwierig bei der Suche nach einem etwas ruhigeren Urlaubsort. An Ostern nach Arco, Finale, Oltre Finale oder vergleichbar bekannte Sportkletterdestinationen im Süden möchte ich gar nicht mehr denken. Es ist einfach zu voll. Die Flüge nach Griechenland (Leonidio, Kalymnos u. ä.) werden immer teurer und sind ökologisch zumindest Nachdenkens wert. So bin ich stetig auf der Suche nach geeigneten Alternativen. Aber nicht nur die Felsen, sondern auch die Landschaft und Kultur sollte in der Urlaubsregion ansprechend sein. Meine Mädels wollen ein bisschen mehr, als nur Tag für Tag an überhängenden Felswänden herumturnen. Die richtige Mischung macht den erlebnisreichen Kletter-Familienurlaub aus.

Die Toskana hat ein beachtliches Angebot an Sportklettergebieten

Eines Abends stieß ich bei meiner Recherche auf die Toskana im Süden Italiens. Diese hat eine Fläche von knapp 23000 Quadratkilometer und ist ungefähr ein Drittel so groß wie Bayern. Eigentlich kennt man die Gegend von imposanten Bauwerken (Schiefer Turm von Pisa), grandiosen Städten (Florenz) und edlen Weinen. Von lohnenden Kletterspots hatte ich noch nichts gehört. Doch weit gefehlt. Der aktuelle Toskana Kletterführer ist 442 Seiten stark und beschreibt 91 Sportklettergebiete zwischen Carrara im Norden und der Insel Elba im Süden. Ein beachtliches Angebot.

Kletterführer mit teils kontroverser Beschreibung

Leider weist der Kletterführer erhebliche Mängel auf und befindet sich nur quantitativ auf dem neuesten Stand. Die Qualität in Bezug auf wichtige Informationen, gute Topos und schöne Bilder ist in einigen Abschnitten eher mangelhaft. So war es für mich schwierig, einen guten Standort für den Kletterurlaub herauszufiltern. Gerne hätten wir uns eine Ferienwohnung in der Nähe des Meeres, also im Klettergebiet Camaiore, ausgesucht. Doch die Beschreibung der Felsen war absolut kontrovers. So kommt es im Führer nicht nur einmal vor, dass man Gebiete wie z. B. „Candala Bassa“ als Hotspot und beliebten Kletterfelsen ankündigt. Auf der gleichen Seite wird dann aber die Schönheit des Sektors zur „Mittelmäßigkeit“ degradiert. Die Absicherung erhält nur einen Stern, was auf „sehr schlecht“ hinweist. Da stellt sich dem Leser die berechtigte Frage, warum ein mittelmäßiges und schlecht abgesichertes Klettergebiet, mit teils speckigen Routen, zu den beliebtesten der Region zählt. Doch nicht nur das. Auch die Zufahrts- und Zugangsbeschreibung zu den Felsen ist teilweise ungenau, manchmal sogar falsch.

Die Region Garfagnana

Nach langen Überlegungen entschieden wir uns für das Gebiet „Garfangna“ in der Nähe der Stadt Lucca. Hier werden einige Klettergebiete im engerem Radius aufgeführt und zudem als schön und gut abgesichert beschrieben. Im Nachhinein war die Entscheidung sicherlich nicht schlecht.

Wir waren in diesen Sportklettergebieten:

Grotte della Scaffa  

Art der Kletterei:

Meist überhängende Routen in sehr gutem Fels von 5c – 7b+. Leider sind viele Griffe/Grifflöcher nicht ordentlich ausgeputzt und nach Regen oft schmierig. Zum Glück hatte ich meine Drahtbürste und Arbeitshandschuhe dabei. Das Gebiet hat noch eine Menge Potential an schweren Erstbegehungen zu bieten, sofern man die Felswand mit einiger Mühe von Sträuchern und Büschen befreit. Schon jetzt gibt es viel mehr Kletterwege als im aktuellen Führer (2020) beschrieben. Die meisten Touren sind am Einstieg mit Schwierigkeitsbewertung angeschrieben.

Besucherfrequenz:

Der Felsen ist gut beschildert und schnell zu erreichen. Dennoch wird er selten besucht.

Besonderheit:

Leider wurden einige, recht ansprechende Kletterlinien zum „Drytoolen“ ausgewiesen, sodass dort unschöne Kratzspuren von Pickel und Steigeisen sichtbar sind. Das finde ich schade. Denn genau diese Routen sind eigentlich schön zu kletternde Touren (d. h. ohne Eisgeräte).

Mehrfach wurden auch Kletterwege mit künstlichen Grifflöchern versehen, sodass glatte Felsbereiche überwunden werden können. Mich hat es nicht sonderlich gestört, weil ich Spaß daran fand, die Fingerkraft-Ausdauer zu trainieren.

Auch nach kurzem Regen kann man dort schnell wieder klettern.

Absicherung:

Mit M 10 mm Bohrhaken sehr gut eingerichtet.

Trombacco-Sektor A 

Art der Kletterei:

Sehr gute Felsqualität am gesamten Sektor. Im linken Bereich findet man herrlich griffige Touren zwischen 5b und 6a+. Im mittleren Wandteil wird der Fels etwas abschüssiger und griffärmer. Hier ist Fußtechnik gefragt (6b – 7b+). Im rechten Wandbereich legt sich die Wand wieder zurück, sodass auch der Schwierigkeitsgrad Zusehens abnimmt (6c – 6a).

Besucherfrequenz:

Der gut beschilderte Zustieg dauert ca. 20 Min. Am Felsen selbst ist nur an Wochenenden etwas mehr los. Bei uns waren es an Ostern insgesamt 10 Personen.

Absicherung:

Mit M 10 mm Bohrhaken sehr gut eingerichtet.

I Campanili – mehrere Sektoren

Art der Kletterei:

Absolut herausragende Felsqualität, vom Wasser zerfressen und nicht abgespeckt. Erst während der Kletterei spürt man die Griffigkeit das Kalkgesteins. Es gibt viele Ausdauerlinien in mittleren Schwierigkeitsgraden von 5c – 7a.

Auch der Sektor 4 – Terzo Campanile (3. Turm, etwas abgelegen) schaut lohnend aus.

Besucherfrequenz:

Die einzelnen Fels-Sektoren sind in 10 – 15 Minuten auf beschildertem Weg zu erreichen. An Wochenenden herrscht etwas mehr Betrieb, jedoch nie so viel, als dass es eng wird. An Ostern waren wir max. 10 Kletterer im gesamten Gebiet.

Absicherung:

Mit M 10 mm Bohrhaken sehr gut eingerichtet.

Il Colle 

Art der Kletterei:

Einzelne Felswand im Wald mit vielen Routen im Schwierigkeitsgrad 4b – 6c. Wir waren selbst nicht vor Ort, haben aber erfahren, dass es ein paar schöne Touren gibt. Der Rest sei eher mittelmäßig und recht kleingriffig. Der Wandfuß ist teilweise abschüssig.

Zustiegszeit ca. 10 Min. Besucherfrequenz: gering.

Absicherung:

Mit M 10 mm Bohrhaken sehr gut eingerichtet.

Rocchette 

Art der Kletterei:

Meist steile bis senkrechte Plattenkletterei, manchmal auch überhängend. Es gibt eine Vielzahl von Routen in allen Schwierigkeitsgraden und Himmelsrichtungen. Der Zugang ist kurz. Die Felsqualität schaut hervorragend aus. Wir sind an Ostern nicht geklettert, da es zu nass und zu kalt war. Rocchette ist ein absolutes Sommerklettergebiet, liegt auf einer Höhe von 1050m und befindet sich ausschließlich im Wald.

Besucherfrequenz:

Die Felssektoren sind nach einer langen Anfahrt über eine Bergstraße (Mautgebühr am Automat) schnell zu erreichen und werden im Sommer mehrfach besucht. Dennoch gibt es hier niemals zu viele Kletterer auf einmal, da das Gebiet über 230 Routen verfügt. Der Schwierigkeitsgrad liegt im Bereich 5c – 8a plus mehrerer Projekte in hohen Graden.

Absicherung:

Mit M 10 mm Bohrhaken sehr gut eingerichtet.

Was tun an Ruhetagen:

Die Küstenstadt Lido di Camaiore liegt direkt am Meer und bietet einen herrlichen Sandstrand. Dahinter viele Cafés, Geschäfte und Restaurants. Sehr schön bei Sonnenuntergang.

Die Stadt Lucca im Landesinneren ist empfehlenswert für einen Tagesausflug und bietet eine interessante Altstadt. Der Besucherandrang hält sich hier noch in Grenzen.

Pisa ist mit dem „Schiefen Turm“ weltbekannt und dementsprechend gut besucht. Wer den Turm besteigen möchte, sollte bereits zwei Tage vorher im Internet eine Eintrittskarte buchen. Am besten so früh wie möglich vor Ort sein, denn ab 11 Uhr vormittags ist die Stadt brechend voll mit Menschen.

Florenz zählt sicherlich zu den bekanntesten Städten Italiens und bietet eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten. Auch hier drängen sich täglich tausende von Besuchern durch die engen Gassen. Vor den großen Kathedralen gibt es Warteschlangen von mehr als hundert Metern. Man kann sich das antun, muss es aber nicht…

Traumhaft schön ist die Gegend rund um Garfangna für Mountainbiker und Rennradfahrer. Es gibt viele schöne Bergsträßchen, die selten mit Autos befahren werden.

Auch zum Wandern ist es herrlich ruhig und entspannend. Leider bewegt man sich bis in Höhen von 1200 Metern fast nur in dichtem Wald, d. h. ohne Fernsicht. Erst darüber hinaus, in den hohen Bergen, dürfte man das Meer erblicken können.

Und dann gibt es noch ein paar schöne kleine Bergdörfer mit alten Steinhäuschen und sehenswerten Kirchen zu entdecken.

Schlussendlich nicht zu vergessen, die bekannte „Grotta del Vento“.

Unterkunft:

Wer im Internet nach einer Ferienwohnung sucht, der sollte sich gut erkundigen. Mehrfach werden schöne Wohnungen in verlassenen Bergdörfern angeboten. Oft sind die alten Steinhäuser aber selten bewohnt und werden deswegen schlecht gelüftet. Ein unangenehm moderiger Geruch kann sich da schon mal festsetzen. Im April hatte es bei uns nachts Temperaturen um 5 Grad plus, weswegen eine Heizung im Frühjahr unerlässlich ist. Auf Internet Empfang (W-Lan und TV) in den Bergdörfern darf man sich nicht verlassen, auch wenn es angeboten wird. Bei uns hat beides nie funktioniert. Der Vermieter meinte, da kann er auch nichts machen…

Fazit:

Unser Kletter- und Kultururlaub während der Osterzeit hat uns gut gefallen. Man findet schöne und mit viel Engagement eingerichtete Klettergärten. Der Besucherandrang hält sich in Grenzen. Man klettert an durchwegs kompakten und gut strukturierten Felswänden. In den von uns erwähnten Klettergärten ist die Absicherung mit Bohrhaken hervorragend. Leider befindet man sich immer im Wald, so dass die Fernsicht eher bescheiden ausfällt. Nur für den Sommer gibt es Sportklettergebiete in Hochregionen über der Waldgrenze. Die Art der Kletterei ist meist plattig und technisch, obwohl wir auch einige interessante Ausdauerrouten entdeckt haben. Der Kletterführer „Toskana und Elba“ vom Verlag Versandte Sud bietet eine Übersicht mit mal mehr und mal weniger Informationen. Je nach Gebiet. Im Grunde genommen muss man einfach selbst ausprobieren und schauen, wo sich die interessanten Felsen befinden. Dass es diese gibt, ist unbestritten. Wir nutzten kletterfreie Tage, um neue Gebiete zu erkunden. Schnell stellten wir dann fest, welches Gestein uns taugt und welches eher nicht. Das hat sich bewährt und Zeit gespart.