Monte Casale Ostwand – “Gianpaolo Ravasio”

Die große Wand über Pietramurata

Direkt über dem Ort Pietramurata ragt die höchste Felswand des Sarcatales auf. Neben alpinistisch historischen Kletterwegen und einem großartigen Klettersteig, findet man moderne Alpinrouten, deren Begehung absolut empfehlenswert sind…

Wenn man von Arco in das Sarcatal hinein fährt, ragen linker Hand die hohen Wände des Cima Coste, des Monte Brento und direkt über der Ortschaft Pietramurata, die Ostwand des Monte Casale auf. Sie ist mit 1500 Meter Höhenunterschied sicherlich die mächtigste Wandflucht des gesamten Tales. Sie wirkt wie eine senkrecht stehende Schüssel, im Inneren derer steil aufragende Pfeiler, beeindruckende Überhänge und tiefe Schluchten die einzigen Orientierungspunkte darstellen. Die alten Routen durch dieses Labyrinth aus Stein sind extrem lange, teilweise brüchig und deshalb nur von historischer Bedeutung. So gut wie nie werden sie wiederholt. Am Ortseingang steht sogar ein Schild des Bürgermeisters, dass die Begehung bestimmter Kletterwege wegen der Gefährlichkeit und der Steinschlaggefahr auf den durch die Wand ziehenden Klettersteig unter Strafe verboten sind.

Am linken und rechten Begrenzungsrand des Monte Casale ist der Fels steiler, kompakter und nur selten durch Geröllbänder durchzogen. Hier gibt es anspruchsvolle Kletterrouten in gutem bis hervorragendem Fels mit unterschiedlicher Absicherung.

Die moderne Route “Gianpaolo Ravasio” führt direkt durch den steilen Plattengürtel oberhalb des schönen Campingplatzes „Daino“ in Pietramurata. Auch wenn es der erste Eindruck nicht vermuten lässt ist die Linie logisch und direkt. Über steile Platten und kleine Überhänge geht es fünf Seillängen durch den unteren Wandaufschwung, in dem auch die größten klettertechnischen Schwierigkeiten anzutreffen sind. Danach legt sich die Wand etwas zurück, wobei die Kletterei an Schönheit nur unwesentlich nachlässt. Geschickt werden gute Felspassagen aneinandergereiht um Grasbänder und brüchige Überhänge zu vermeiden. Im oberen Teil steilt sich die Wand dann wieder etwas auf. Zwischen großen Dächern geht es teilweise in spektakulärer Umgebung zum gut sichtbaren Felspfeilers, einem Gratabsatz des Monte Casale Südgrates.

Die Route ist hervorragend mit Schwerlast-Bohrhaken abgesichert, so dass Keile und Friends nur Ballastmaterial am Klettergurt wären. Die Linie ist immer gut zu erkennen. Im Notfall kann jeder Zeit der Rückzug durch Abseilen angetreten werden, was bei der beachtlichen Kletterlänge einen gewissen Sicherheitsfaktor darstellt. Wer aber ganz hinauf steigt um sich ins Wandbuch eintragen zu können, dem sei der Abstieg zu Fuß über den leichten Südgrat (gute Steigspuren links hinunter) wärmstens empfohlen. Denn bei den 15 Abseilständen entlang der Route gibt es immer wieder Bäumchen und Felsschuppen an denen sich das Abziehseil verhängen kann, so dass der scheinbar bequeme  Rückweg durch die 600 Meter hohe Wandflucht auf einmal zur Tortour werden kann.

Meine persönliche Erfahrung war von dem positiven Erlebnis einer Rotpunktbegehung aller Seillängen im Vorstieg gekrönt. Während die 7a+ Länge (technische Ausdauerroute) nach einmaliger Inspektion relativ gut lief, brachte mich die nachfolgende Seillänge und Lena am Standplatz schier zur Verzweiflung. Auf den ersten Metern sieht es noch nach Griffen aus. Doch dann biegt die Linie etwas „gekünstelt“ nach rechts in eine Platte ab. Diese musste ich immer wieder und wieder ausbouldern bis die Sequenz endlich, bei meinem letzten angesagten Versuch, gepasst hat. Alle anderen Seillängen sind on sight zu klettern, wobei man leicht aussehende Stellen nicht unterschätzen sollte.

Fazit:                                                                                                                                                                                    Wenn man am Ende eines langen Klettertages zu zweit oben am Ausstieg sitzt und entspannt, ohne den Klettertrubel von Arco,  in das Sonnen beschienene Sarcatal blickt, dann lernt man den Klettersport am Gardasee auf eine andere, sehr schöne und ruhige Art und Weise kennen.

Bericht 2007