Klettern an den großen Wänden des Tessins

Tessin Klettern – Alpine Granitrouten vom Feinsten 

Wenn an einem Wochenende im Frühjahr auf der Nordseite der Alpen schlechtes Wetter herrscht, dann hört man vermehrt deutschsprachige Seilkommandos aus den Wäldern rund um Ponte Brolla und dem Valle Onsernone erschallen. Das kommt nicht von ungefähr, denn im italienisch sprechenden Tessin gibt es eine Vielzahl von lohnenden Granitkletterrouten, nur wenige Kilometer oberhalb des Lago Maggiore.
Auch mich zieht es des Öfteren an kalten und verregneten Tagen auf die Südseite der Alpen, auf der Suche nach „alpinen Schmankerln“, abseits vom Trubel der meist überfüllten Klettergärten.
Und immer wieder werde ich nach einer herrlichen Wanderung durch Birkenwälder, Hochalmen und Farnwiesen von beeindruckenden Granitwänden überrascht. Wie aus dem Nichts tauchen sie hinter einem bewachsenen Gratrücken auf. Dass diese Plattenwände dann auch noch Kletterlängen von teilweise 500 Meter und mehr aufweisen, merkt man erst, wenn man nach stundenlangem Austüfteln einzelner Schlüsselpassagen immer noch nicht am Ausstieg angelangt ist.

Valle Onsernone – Parete Sud

Fährt man mit dem Auto in das schöne Valle Osorno, dann taucht bald schon am rechten Berghang ein riesiger Felspfeiler auf, dessen Eleganz und Wucht nicht zu übersehen ist. Die zwei bekanntesten Routen dort oben heißen „DMMP“ und „Lady of dreams“. Mit 9 bzw. 14 Seillängen bis zum Schwierigkeitsgrad 7a+ kommt man auf eine Kletterlänge von rund 400 Metern in bestem Granit/Gneis, so dass sich der schöne Anmarschweg auf jeden Fall lohnt. Jede einzelne Seillänge verspricht Genuss pur, sofern man Spezialist im Reibungsklettern ist. Meine Erfahrung bisher war, dass die Plattenpassagen sehr hart, dafür die Überhänge etwas leichter bewertet sind. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass wir Kalkkletterer die technischen Granitplatten einfach zu selten klettern. So hatte ich z. B. in der zweiten Seillänge (6b) von „Lady of dreams“ überraschend Probleme die richtige Lösung einer Passage zu finden. Die später folgende Schlüsselstelle, ein 7a+ Überhang, ging dann im on sight.
Auf jeden Fall hat`s Spaß gemacht, weil die Absicherung perfekt und der Fels bombenfest ist.

“DMMP” 7a+ (Dedicata alle Mogli Meravigliosamente Pazienti)
Sicherlich eine der schönsten Reibungskletterrouten im Tal. Die Schwierigkeiten befinden sich in der ersten Seillänge und in der berüchtigten „placca dell`Alfino“ der 7. Seillänge.

„Lady of dreams“ 7a+ 
Eine herrlich abwechslungsreiche Route bei der es einem niemals langweilig wird. Jede einzelne Seillänge bietet eine neue Überraschung in Bezug auf klettertechnische Raffinessen.
Die ersten acht Seillängen führen über kompakte Platten, anschließend wird es steil und teilweise sogar überhängend.
(Walter Hölzler 2010)