Kleine Zinne – Gelbe Kante

Kleine Zinne in den Sextener Dolomiten – Gelbe Kante

Bergbuch mit Kultstatus

Walter Pause schrieb in den 1970er Jahren in seinem Bergbuch „Im extremen Fels“ folgende Sätze:

Man versteht, dass bei ihrem Anblick Superlative fällig werden, die nicht nur frommen Bergwanderern entschlüpfen. So war die alpine Welt vollkommen überwältigt, als Emilio Comici mit Emario Varale und Renato Zanutti schon 1933 diese unwirklich senkrechte Felssäule zum ersten Mal bezwang. Die fortgesetzte Exposition in der absolut Senkrechten, und dies in einem Zuge durchgehend vom Einstieg bis zum höchsten Punkt, hat Furore gemacht und wird in allen Zeiten für Begeher sorgen.

Geringes Sturzrisiko

Lange Zeit war die Route mit Normalhaken und Sanduhrschlingen vollgepflastert, so dass der untere 6. Schwierigkeitsgrad selten erreicht wurde. Das Verletzungsrisiko bei Sturz konnte man als gering einstufen.

So wie es früher war, wird es auch jetzt noch sein

Mit dieser Einstellung reiste ich im Herbst als Bergführer wieder mal zu den Drei Zinnen. Die Himmelsleiter sollte „gut eingenagelt“ kein Problem darstellen. Voller Selbstbewusstsein hängte ich mir am Einstieg nur 8 Express Schlingen an den Klettergurt. Mobile Sicherungsgeräte (Friends und Keile) ließ ich, wie bei meiner letzten Begehung, im Auto liegen. „Es stecken meist mehr Haken in den Wand, als man zur Sicherung einhängen kann“. So wie es früher war wird es auch jetzt noch sein, dachte ich mir.

Route ist mehr oder weniger ausgenagelt

In der ersten Seillänge, eine leicht überhängenden Verschneidung, fand ich ein paar Normalhaken für die Zwischensicherung. Doch danach nahm die Anzahl dieser rapide ab. Welch Überraschung, die Route ist mehr oder weniger ausgenagelt. Fast alle der früher vorhandenen Rostgurken und Schlingen sind weg. So musste ich Runouts mit 10 Meter und mehr bewältigen. Und das über undefinierbaren Stahlhaken, die seit Jahren in Felsrissen stecken. Niemand kann abschätzen, was diese bei Sturz aushalten wurden…

Gut im Training

Zum Glück bin ich noch recht gut im Training, so dass der obere 6. Schwierigkeitsgrad für mich, auch weit über den fragwürdigen Zwischensicherungen, gut kletterbar ist.

Emili Comici, ein Spitzensportler seiner Zeit

So ähnlich musste sich Emili Comici gefühlt haben, als er 1933 mit nur wenigen Sicherungsmitteln diese herrliche Route erstbeging. Ein Spitzensportler seiner Zeit.

Abseilpiste

Oben angekommen, kann man die Abseilpiste zur Scharte zwischen großer und kleiner Zinne benutzen. Schnell erreicht man den Wandfuss. Nur bei mehreren Seilschaften ist die Steinschlaggefahr zu beachten.

Alles in allem bleibt die Gelbe Kante eine herrliche Genusstour für Alpinkletterer, die dem oberen 6. Schwierigkeitsgrad (UIAA) gewachsen sind.

Fazit:

Am Einstieg der Gelben Kante muss man heutzutage nicht mehr in Reihe anstehen. Zumindest unter der Woche ist man stellenweise sogar allein unterwegs. Ganz einfach deswegen, weil die Tour einen erfahrenen Vorsteiger im oberen 6. Schwierigkeitsgrad voraussetzt. Plaisirkletterer kommen leicht an ihre Grenzen. Mit mobilen Sicherungsgeräten lassen sich diverse Runouts einigermaßen entschärfen, sofern man das richtige Material dabeihat. Dennoch sollte man ein Gespür für alpine Kletterrouten mitbringen, um sich nicht zu versteigen. Alle Standplätze sing gut, teilweise sogar mit Klebehaken ausgestattet.

Mit Bergführer auf der sicheren Seite.

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