Klassisches Alpin Klettern am Piccolo Dain im Sarcatal

Der Piccolo Dain am Beginn des Sarcatales gehört eigentlich als letzte große Erhebung zur Paganella Gruppe in den Dolomiten. Doch auf Grund der Nähe zum Sportklettermecca Arco wurde der Piccolo Dain über dem Fluss Sarche mit seinen imposanten Felswänden zum beliebten Alpinkletterziel der Gardasee Region.
Bereits in den 50er Jahren bereitete sich dort C. Maestri  (Erstbegeher Cerro Torre) mit seinen Partnern auf großen Unternehmungen vor. Die Route „Diedro Maestri“ ist mit einer Länge von 400 Metern im Schwierigkeitsgrad VI+/A0 ein Beweiß der damaligen Leistungsfähigkeit. Nur selten begeben sich versierte Alpinisten auf den moralisch und technisch anspruchsvollen Weg.

 

Gerüchte
Schon früher als ich nach Arco kam, reizte mich der Gang zum Piccolo Dain. Doch die Gerüchte um lange Zustiegswege durch dorniges Buschwerk, und der schlechten Absicherung in den Routen hielten mich bisher davor ab. War es doch in Arco viel gemütlicher und einfacher nach einem ausgiebigen Frühstück ein paar gut gesicherte Sportkletterwege zu klettern, anstatt eine der über 400 Meter hohen Alpinwände mit dürftiger Absicherung zu begehen.

„Diretissima Loss Pilati“
Heutzutage, nach dem ich unzählige Male in den meist überfüllten und großteils abgespeckten Trendgebieten herumgeturnt bin, zieht es mich immer öfter hinaus zu den großen Wänden im Sarcatal. Vieles hat sich getan, neue Routen und gute Zustiegswege machen das Alpinklettern einige Kilometer hinter dem Gardasee lohnenswert und attraktiv. So konnte ich Lena bei unserem letzten Aufenthalt davon überzeugen, dass die „Diretissima Loss Pilati“ im Schwierigkeitsgrad VI+/A1 eher eine leichte Route am Dain ist. Besser gesagt, der Klassiker schlecht hin. Etwas skeptisch ließ sie sich davon überzeugen mit mir dort einzusteigen.
In einem alten italienischen Sportkletterführer fand ich die Bewertung für den freien Durchstieg. Bis auf die Dachseillänge hört sich das recht human an. Meist im Sechsten bis Siebten Schwierigkeitsgrad bewegt sich die Einstufung. Nur einmal soll der Achte Grad erreicht werden.

Drei Meter über einem alten Holzkeil
Mit einem Doppelseil, 10 Expresschlingen und drei Friends machten wir uns auf den Weg. Bereits im Talort Sarche sticht die Wand beeindruckend hervor. Man könnte fast meinen, dass sie völlig überhängt. Der Eindruck dieser außerordentlichen Steilheit lässt auch beim Zustieg nicht merklich nach. So war beim Anseilen auf einer ausgesetzten Plattform die Spannung groß.
Der Fels ist meist gelb und rot,  was der ganzen Unternehmung einen Dolomitencharakter verleiht. Trotz vieler Begehungen in den letzten Jahren ist die Route immer noch nicht völlig ausgeräumt, so dass man mit unterschiedlicher Gesteinsqualität konfrontiert wird. Die Beschreibung einer ausreichend vorhandenen Sicherung stimmt im Großen und Ganzen. Doch wer gerne frei klettern möchte, ist nicht gerade begeistert, drei Meter über einem alten Holzkeil in einer runden Verschneidung zu klemmen. Das passierte mir ab und zu, da ich mit meinen wenigen mobilen Sicherungsmittel nicht viel zur Verbesserung der Situation beitragen konnte. Gerade die große Verschneidung in der zweiten Seillänge ist beeindruckend und anspruchsvoll zugleich. Die vierte und fünfte Seillänge, mit 6a+ und 6b in Freikletterei bewertet, brachte mich im on sight ganz schön ins Grübeln. Persönlich hätte ich da einen halben Grad drauf gelegt. Hier stecken zwar genügend Sicherungsmittel, doch sind es teilweise selbst gemachte Stichtbohrhaken mit einem Durchmesser von fünf Millimeter und einer Länge von ca. drei Zentimeter. Das Körpergewicht zu Fortbewegung halten sie ohne weiteres, doch den Sturz eines Mannes von meinem Kaliber würden sie nie überstehen. Deshalb war Vorsicht angesagt.
Aus diesem Grund wollte ich in der Schlüsselstelle kein unnötiges Risiko eingehen und hängte einen Fixpunkt über dem Dach zuerst ein, bevor ich dann die anspruchsvolle Boulderstelle vom Standplatz aus knacken konnte.

Wie ein König
Am Ende der Tour sitzt man wie ein König über den Dächern von Sarche, blickt in das schöne Tal und freut sich über den erlebnisreichen Tag, abseits vom Klettertrubel in Arco…