Droites Nordwand – “Richard Cranium Memorial“

Ein großer Tag in meiner Alpinistenkarriere
Das Argentiere Becken fasziniert mich immer wieder mit seinen eindrücklichen Wandfluchten aus Fels und Eis.
Schon viele Male kletterte ich auf unterschiedlichen Routen, meist im Winter, auf fast alle Gipfel rund um die Argentiere Hütte. Jedes Mal war die Herausforderung groß und ein Abenteuer gewiss. Ganz besonders bei meinem Alleingang mit Tourenski auf dem Rücken durch die Droites Nordwand in einer Kombination aus der „Ginat“ und „Messner Route“. Nach etwas mehr als dreieinhalb Stunden stand ich auf dem Gipfel, seilte mich durch die Südrinne auf den Gletscher ab und fuhr über das Mer de Glass nach Chamonix. Gegen Mittag saß ich bei herrlichem Sonnenschein auf dem Zentralplatz der Bergsteigermetropole und genoss bei Kaffee und Kuchen die wärmenden Sonnenstrahlen. Ein solches Unternehmen ist damals wie heute in der internationalen Alpinistenszene sicherlich nicht alltäglich und bleibt deshalb in eindrücklicher Erinnerung für mich.

Ab 45 Jahren wird es schwierig ein ordentliches Niveau zu halten
Ganz so fit und mutig bin ich schon lange nicht mehr. Ab dem 45. Lebensjahr wird es immer schwieriger ein ordentliches Alpinkletterniveau für die großen Wände zu halten. Dazu kommt Arbeit, Familie und die Unregelmäßigkeit des Trainings. Trotzdem will ich nicht jammern, bin gesund und immer noch begeisterter Allround-Alpinist. Wenn alle Voraussetzungen passen, dann beiße ich schon mal durch. Den altersbedingten Rückgang meiner früheren Höchstleistungsfähigkeit versuche ich mit Erfahrung zu kompensieren. So auch vergangenen Winter als die Bedingungen auf Grund des trockenen Herbstes in Chamonix nicht sonderlich berauschend waren. Dennoch stellte sich Ende Februar eine mehrere Wochen anhaltende Schönwetterphase ein. Diese nützte ich, um mit Jürgen Oblinger im Schnelldurchgang ein paar tolle Routen am Mt. Dolent, an der Aig. Du Plan und an der Droites Nordwand zu klettern.

Droites Nordwand

Die Traumwand der Winteralpinisten war im zentralen unteren Bereich so sehr ausgeapert, so dass wir trotz Recherche nichts von einer erfolgreichen Begehung erfuhren. Auf der Suche nach Alternativen stießen wir auf die „Richard Cranium Memorial”. Sie führt im äußerst rechten Teil der Nordwand direkt zum Westgipfel der 4000 Meter hohen Aig. du Droites.

Die Taktik der Akklimatisationsüberlistung
Wir hatten wenig Zeit, denn der Urlaub war beschränkt. So lautete unser Plan: Vom Allgäu früh morgens nach Chamonix – Aufstieg mit anschließender Übernachtung auf der Argentiere Hütte – Auf- und Abstieg durch die Droites Nordwand und am gleichen Abend zurück ins Allgäu. Alles in allem in zwei Tagen. Genau so wie ich es von früher her kannte, gemäß meiner Taktik die Akklimatisation zu überlisten. Die vor vielen Jahren entstandene Idee besteht darin, so schnell wie möglich auf und ab zu klettern, so dass der Körper die Höhenanpassungserscheinungen wie Kopfweh, Atemnot und vermehrter Durst erst dann zu Tage bringt, wenn man sich schon wieder in Richtung Tal bewegt.

Pausen sind nicht erlaubt

Die Crux an der Geschichte, man muss physisch und psychisch fit sein, um den inneren Schweinehund überwinden zu können. Größere Pausen sind während einer solchen Tag- und Nachtaktion nicht möglich.

Gibt es wenig Fotos war die Belastung entsprechend groß

Wir hatten einen hervorragenden Tag erwischt, an dem wir trotz wenig Eis im kombinierten oberen Teil flott voran kamen. Jürgen spürte zum ersten Mal was es bedeutet in einer solch großen Wand die richtige Mischung aus Geschwindigkeit und Sicherheit herauszufiltern.
Ein Indiz der äußeren und inneren Anspannung meiner Partner ist meist das Ergebnis einer geringen Bildausbeute, wenn es im Nachhinein darum geht die Fotos für einen Bericht auszutauschen. Gibt es keine oder nur wenige, war die Belastung sehr groß. So bin ich auch diesmal nicht zu sehen, was aber weniger schlimm ist. Denn der Tag bleibt trotzdem in guter Erinnerung.

Winter 2012