Alpsteinmarathon – Ein Juwel im Herzen des Alpsteingebirges

Im Internet
Bereits im Winter, als ich wieder einmal das Internet nach neuen Routen durchforstete, stieß ich auf den Alpsteinmarathon. Mit 835 Metern Kletterlänge im vorwiegend sechsten  bis siebten Schwierigkeitsgrad, bestem Fels und herrlichem Ambiente schwärmen die Schweizer Erstbegeher. Dass der Fels im Alpsteingebirge gut bis hervorragend ist, kenne ich vom Wildhauser Schafberg oder den Churfirsten. Doch nirgendwo in dieser Gegend gibt es annähernd so hohe Wände. Also wollte ich mir selbst ein Bild vor Ort machen…

 

Ausflug ins Appenzeller Land
Als Mitte Juni endlich einmal warmes und sonniges Wetter am Alpennordrand vorhergesagt wurde, packte ich am Samstagvormittag mit Lena die Rucksäcke, um noch am gleichen Tag ins Appenzeller Land zu fahren. Nach einem zweistündigen Aufstieg wollten wir in der Nähe des Berggasthauses Bollenwees biwakieren, denn die Hütte war restlos ausgebucht. Gerne hätten wir auch die Anstiegszeit über den steilen Fahrweg zur Bollenwees mit dem Mountainbike verkürzt. Doch bei meiner telefonischen Anfrage meinte der Hüttenwirt, dass es offiziell nicht erlaubt sei. Später sahen wir trotzdem einige Bergradler…

 

Berggasthaus Bollenwees
Vom Ort Bürlisau steigt der gesperrte Fahrweg unheimlich steil in einem Schatten spendenden Laubwald an. Nach einer Stunde Gehzeit erreicht man die erste Anhöhe mit einer netten Gastwirtschaft. Von hier sind es nur wenige Minuten hinunter zum schönen Sämtisersee. An diesem vorbei geht es weiter durch gepflegte Almwiesen bis zur nächsten Steigung. Wieder schlängelt sich der Fußweg durch einen kühlen Wald, an einem Klettergarten vorbei, bis zum Berggasthaus Bollenwees über dem Fählensee. Links und rechts begrenzen steile Felswände das enge Tal. Weit vorne erkennt man die höchste Spitze in den Himmel ragen, den Hundstein (2156m), unserem Kletterziel. Nach einer kühlen Radlerhalbe und einem Schnitzel mit Rösti legen wir uns in die mit Blumen übersäte Wiese und genießen die wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne.

 

Wettrennen am Fählensee
Bereits vor Tagesanbruch sind wir schon unterwegs, um in der langen Kletterroute ohne gute Fluchtmöglichkeit nicht zu spät auf dem Gipfel anzukommen. Im Wetterbericht vorhergesagte Wärmegewitter raten uns zur Vorsicht. Mit zwei Schweizer Alpinisten, die uns am Morgen schon recht skeptisch beim Zusammenpacken der Ausrüstung beobachteten, leisten wir uns ein indirektes Wettrennen entlang dem Fählensee hin zum Einstieg. Im harten Schneefeld vor den Felsen sichern wir uns letztendlich die Pole-Position für den Klettermarathon.
Als ich in der schattigen Einstiegsseillänge mit meinen kalten Fingern beschäftigt bin, vernehme ich noch die Worte der unten stehenden: „die zwei Deutschen werden wir in der nächsten Seillänge überholen, sonst dauert es ewig…“
Dass die Deutschen gut Fußball spielen wissen die Schweizer sicherlich nicht erst seit dieser Europameisterschaft. Dass wir auch einigermaßen klettern können, sollten wir ihnen scheinbar noch beweisen, dachte ich mir im Stillen. Die Schweizer gehen im schnellen Überschlag, ich führe unsere Seilschaft allein, was uns sicher Zeit kostet, aber eben nicht so viel, um die Führung wieder abgeben zu müssen. Der Alpsteinmarathon hat begonnen…
Lena versteht sofort und klettert wie entfesselt ohne sich umzusehen. Die Eidgenossen folgen im Eiltempo. Am Standplatz tritt sie ihnen so freundlich und mit weiblichem Charme gegenüber, bis sie letztendlich akzeptierten, dass auch Deutsche Mädels beim Klettern eine gute Figur abgeben können. Doch das nur am Rande…

 

835 schöne Klettermeter
Der Alpsteinmarathon zieht wenige Meter oberhalb der Fählenalp über kompakte Felspfeiler und Platten zum Hundsteingipfel. Die Erstbegeher fanden von unten mit einem alpinistischen Feingefühl eine homogene Linie, die die besten Felspassagen dieser nicht leicht zu überschauenden Felsflanke verbinden. Der stark vom Wasser zerfressene Kalkfels gehört zum Besten was die Natur in dieser Gesteinsart bieten kann. Dass in den 21 Seillängen, die teilweise von Grasbändern unterbrochen sind, auch mal brüchigere Passagen vorkommen, ist offensichtlich. Doch auch da leisteten die Erstbegehen ganze Arbeit. Sie entfernten loses Material aus der Wand, um möglicherweise aufkommende Kritik von unlohnenden oder sogar gefährlichen Seillängen schon im Keime zu ersticken. So klettert man stundenlang vor sich hin und ist immer wieder begeistert vom Ambiente hoch über dem leuchtend grünen Fählensee. Ein Erlebnis, das in dieser Form schier unbeschreiblich ist. Am Gipfel sind alle Mühen der 835 Klettermeter schnell vergessen. Denn jetzt gibt es nur eins, so schnell wie möglich hinunter, um die Schweißperlen des ausgefüllten Klettertages im kühlenden Bergsee abtropfen zu lassen.

 

Fazit:
Die Route Alpsteinmarathon ist bezeichnend für einen herrlichen aber langen Klettertag, der mit all den Landschaftsimpressionen sicherlich unvergesslich ist.

Stand 2008