Klettern Rote Flüh – Südverschneidung

Rote Flüh Südwand

Die berühmten Kletterbücher von Walter Pause

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, als das alpine Sportklettern noch in den Kinderschuhen steckte, gab es weder Plaisierrouten noch Auswahlkletterführer wie wir sie heute kennen.

Was jedoch bei keinem Alpinisten zu Hause im Bücherschrank fehlen durfte, waren die berühmten Kletterbücher von Walter Pause. „Im leichten Fels“, „Im schweren Fels“ und „Im extremen Fels“ nannte sich die Buchreihe. Die hervorragend aufgearbeiteten Bildbände mit einfachen Topos und kurzen Beschreibungen der schönsten und schwierigsten Kletterrouten jener Zeit waren nichts anderes als die Vorgänger der heutigen Auswahlkletterführer.

Im extremen Fels

Wer Routen aus dem Buch „Im extremen Fels“ in seiner Tourenliste vorweisen konnte, glaubte zumindest zu den „Extremen“ zu gehören. So war es natürlich auch mein Bestreben als 16-jähriger im Zuge der anrollenden Freikletterbewegung aus Amerika verschiedene Klassiker aus diesem Buch, damals noch mit technischer Bewertung angegeben, frei zu klettern.

„Irgendein Normalhaken hält schon“

Mit einem Komplettgurt, einem Leichtbergschuh incl. Profilsohle, sowie selbst geknoteten Express Schlingen stürzten wir uns in die Alpenwände. Der 7. Grad in einer alpinen Route war damals ein begehrtes Ziel. Als Sicherungsmittel nütze man ausschließlich die selbst geschlagenen Felshaken von denen es mehr als genug in den “Technorouten” gab. Dass dieses alte Material aber überhaupt nicht dazu geeignet war, um in einer 250 Meter hohen Wand an der Sturzgrenze „Rotpunkt“ zu klettern, störte uns nur am Rande. „Irgendein Normalhaken hält schon“, so die gängige Meinung der damaligen Alpinkletterszene.

Ein fataler Irrweg

Welch fatalen Irrweg wir in unserem jugendlichen Eifer folgten, spürte ich spätestens bei einem Sturz durch Griffausbruch in der Südverschneidung der Roten Flüh (VI-/A1 oder 6+). Mehr als 10 Haken zog ich während des über 30 Meter tiefen Falls, bei dem ich zweimal auf dem Fels aufschlug und dann Kopf voraus blutend unter einem Überhang hängen blieb.

Die Verletzungen waren schwerwiegend, die Rettung mit den damaligen Mitteln extrem aufwändig. Es ging 5 Stunden um Leben und Tod.

Bleibeschäden waren nicht abzusehen

Mehr als ein halbes Jahr brauchte ich, um wieder einigermaßen geradeaus laufen zu können. Eine gefährliche Gehirnschwellung blockierte den Sehnerv. Bleibeschäden waren bis dahin nicht abzusehen. Die hoffnungsvolle Ski-Rennläufer Karriere drohte zu scheitern. Meine Eltern in tiefer Sorge um die Gesundheit ihres Sohnes…

Sicheres Bergsteigen in den Tannheimer Bergen

Noch lange musste man solche und schlimmere Unfälle im Tannheimer Tal mit ansehen, bis der deutsche Bergführer Toni Freudig sein Herz in die Hand nahm und mit dem selbst gegründeten Verein „Sicheres Bergsteigen in den Tannheimer Bergen“ begann mit Klebehaken zu sanieren. Die Häme und Kritik, die er über sich ergehen lassen musste, war vorprogrammiert und teilweise entwürdigend. Dennoch blieb er seiner Meinung treu: “Klettersport darf nicht lebensgefährlich sein”. Und schlussendlich hatte er recht. Denn seit der Sanierungsaktion in den 1990er Jahren gab es in den Tannheimer Bergen keinen schwerwiegenden Kletterunfall mehr. Welch Erfolg!

Lohnende Alpinroute

Auch die Südverschneidung wurde maßvoll saniert und gehört heute wieder zu den wirklich lohnenden Alpinrouten des 6. Grades im Gebiet. Sogar der damals als brüchig und gefährlich verrufene „Gelbe Riss“ (6+) ist von vielen Begehungen ausgeputzt und nun absolut fest.

Heutzutage klettere ich die Südverschneidung privat oder als Bergführer sehr gerne und freue mich, dass es hier niemandem mehr so ergehen muss wie mir am 16. Mai 1982.