Eisklettern Fallbach Nordwand

Felsklettern an Weihnachten

Es war an einem der schönen Inversionstage nach Weihnachten, als ich mit Lena morgens eine „Frühstücksrunde“ mit Langlaufskiern drehte. Den restlichen Tag verbrachten wir an der sonnenbeschienenen Kellerwand beim Felsklettern.

Ein grandioser Eiswasserfall

Zu Hause angekommen rief mich Christoph Bucher, der ehemalige Weltklasse Kletterer auf dem Handy an und wünschte uns schöne Feiertage sowie ein gutes Neues Jahr. Dabei erzählte er mir von einem herrlichen Skitag am Arlberg. Die Verhältnisse seien hervorragend, das Wetter sonnig und der Schnee pulvrig.

Im weiteren Gesprächsverlauf erzählte er mir von einem riesigem gefrorener Eiswasserfall, der ihm bei der Nachhause Fahrt, links neben der Arlberg Pass-Straße aufgefallen war. Ob ich diesen kenne oder sogar schon einmal durchstiegen hätte, erkundigte er sich bei mir. Das fragile Gebilde sehe grandios aus und müsste jedes „Eiskletterer Herz“ höher schlagen lassen.

Ein Abenteuer mit einem erfahrenen Alpinisten

Ja, natürlich hatte ich mich schon vor vielen Jahren mit der markanten Eislinie beschäftigt. Bin sogar zweimal nach Dalaas, dem Talort im Klostertal gefahren, um nach den Bedingungen des „Fallbach-Eisfalles“ Ausschau zu halten. Leider waren sie nie so gut, dass ich auch nur einen Versuch hätte wagen wollen.

Im Laufe unseres Gespräches signalisierte mir Christoph, dass er sich noch nie an eine solch lange Winterroute herangewagt hatte, doch er die Herausforderung mit einem erfahrenen Alpinisten gerne einmal austesten möchte.

Upps… dachte ich mir, das war eine indirekte Frage, diesen Wasserfall zu klettern…

Der längste Eiswasserfall Österreichs

Die Lust an kalten Wänden ist bei mir schon lange nicht mehr so groß wie früher. Genügend Winter Extremtouren habe ich bereits hinter mir, als dass ich mich noch an jedem Eiszapfen beweisen müsste. Doch bei dieser Situation gab es zwei Punkte, die eindeutig dafür sprachen. Zum einen war es der längste Eiswasserfall Österreichs, ein langjähriges Traumziel von mir, und zum anderen freute mich die Einladung von Christoph Bucher. Also gab es nur eine Gegenfrage: „Wann starten wir?“. Seine Antwort war kurz, prägnant und vorbereitet: „Übermorgen um halb sieben in Bregenz“.

Ich stimmte ein…

Riesenschlange

Der Morgen war sternenklar und kalt, als wir am Straßenrand eine Parkbucht unterhalb der leuchtenden Eiskaskaden suchten. Wie eine Riesenschlange zieht sich die Ader aus gefrorenem Wasser mehr als 700 Meter lang bis zum Wandfuß herunter. Ein von Natur geschaffenes und zeitlich begrenztes Meisterwerk, das sich nicht nur auf eine alltägliche Eistour reduzieren lässt.

Eiertanz

Am Einstieg angekommen wurde unsere Euphorie erst einmal gedämpft. Mehrfach spritzte Wasser aus Ritzen der Orgelpfeifen ähnlichen Eiszapfen. Eine Situation, mit der wir so nicht gerechnet hatten. Erst nach längerem Auskundschaften der Einstiegsseillänge startete ich einen Versuch in die 90 Grad steile Welt aus spröden Röhren, hinter denen man das pulsierende Wasser arbeiten sah. Jeder Schlag musste dosiert angebracht werden, um nicht eine der vielen „Wasseradern“ zu treffen.

Nach acht Meter „Eiertanz“ war genug. Vorsichtig kletterte ich auf den Boden zurück.

Wintertag an der Schneebar

Mit überzeugenden Argumenten unterstützte ich meinen Fingerzeig zum bereits sonnenbeschienenen Arlbergpass. So wäre doch ein entspannter Wintertag an einer Schneebar in St. Anton sicherlich die bessere Idee, als der gefährliche Tanz auf sprödem Röhreneis.

Noch bevor meine Aussage Wirkung entfalten konnte, wies Christoph mir eine neue Variante im rechten Wandteil zu. Sie sah etwas trocken aus, dafür schimmerte der Fels von unten hervor, was auf dünnes Eis schließen ließ. Meine erneuten Einwände erstickte er mit dem Argument, dass auch die kurzen Petzl Eisschrauben extrem gute Haltewerte aufweisen. Schnell wurde mir klar, ein Rückweg ging heute nur über einen beherzten Vorstieg durch den Wasserfall. Ausreden halfen da nicht weiter…

Abgebundene Eisschrauben

Nach den ersten zwei steilen Seillängen, gesichert an  „abgebundenen“ Eisschrauben, wurde es wieder ein bisschen flacher und die Qualität der Glasur besser. Jetzt konnten wir den nächsten Abschnitt gemeinsam am langen Seil klettern, um verlorene Zeit aufzuholen. Die Kulisse war beeindruckend. Nach und nach steilte sich der Wasserfall auf und verlangte in einzelnen Passagen einen beherzten Vorstieg.

ÖAMTC Hubschrauber

Gegen Nachmittag bemerkten wir, dass sich direkt unter uns auf der Arlberg Passstraße ein kleiner Verkehrs-Stau bildet. Als dann auch noch der ÖAMTC Hubschrauber über uns kreiste, war schnell klar, dass wir unter Beobachtung standen. Sofort signalisierten wir der Besatzung, es wäre alles o.k. bei uns.

Der Abstiegsweg im Kletterführer

Die Zeit verging wie im Flug. Seillänge für Seillänge brachten wir nun in besserem Eis hinter uns und bemerkten nur am Rande, dass bereits die Sonne hinter den Bergen verschwunden war. Schnell packten wir die Stirnlampen aus und eilten die letzten Meter zum Ausstieg hinauf. Zufrieden umarmten wir uns auf einer bewaldeten Hochfläche und studierten im Kletterführer den Abstiegsweg. Dieser war kurz und einfach wie folgt beschrieben. Man solle sich zuerst an einer kleinen Hütte orientieren, um von dort der sichtbaren Schneerinne ins Tal zu folgen. Einfacher geht es nicht, dachten wir und machten uns wenig Gedenken darüber, dass in der Nacht die tief verschneite Landschaft völlig anders aussehen könnte.

Sackgasse

Je tiefer wir stiegen, umso steiler wurde es, was vorerst nicht schlimm war. Erst als der Neuschnee immer mehr abzurutschen begann, kam ein mulmiges Gefühl auf. Wir waren nur noch wenige Meter vor einem großen Felsabbruch entfernt und spürten bereits den kalten Luftzug vom Tal. Ein Weg der unweigerlich in die Sackgasse führte.

So blieb uns nichts anderes mehr übrig, als den ganzen Hang im Tiefschnee wieder hinauf zum Ausstieg des Wasserfalles zu Spuren. Welch eine Qual…

Oben angekommen, wählten wir eine völlig andere Linie weiter rechts. Aber auch hier konnten wir uns nicht sicher sein wohin die Reise ging. Zumindest wirkte das Gelände etwas flacher und begehbarer. Als dann endlich die im Führer beschriebene Hütte auftauchte, waren wir sicher, nun den richtigen Weg ins Tal gefunden zu haben.

Fazit:

Die Eisroute durch die Fallbachkopf Nordwand ist eine große und nicht zu unterschätzende Unternehmung in einer beeindruckenden Kulisse. Auf Grund der Länge wird die Route selten in allen Passagen gleichbleibende Verhältnisse aufweisen, weshalb man schnell und ungeplant in Zeitdruck geraten kann. Im Mittelteil gibt es mehrere Varianten, die den Aufstieg entschärfen bzw. verschärfen. Ein Rückzug aus dem oberen Teil der Wand dürfte sich als sehr schwierig und langwierig darstellen. Wir fanden nicht mehr als vier Normalhaken auf 700 Meter Kletterstrecke..

Auch der Abstieg kann bei Dunkelheit schwierig zu finden sein, sofern keine Spuren vorhanden sind.

Bericht: 2010

Anm.:

Christoph Bucher gründete nach seiner erfolgreichen Wettkampfkarriere eine Firma und ist bis heute ein ebenso erfolgreicher Geschäftsmann.

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